Die Wiener Künstlerin Zhanina Marinova malt schon seit dem Kindergartenalter. Im Interview mit uns gibt sie einen Einblick, wie aus Kindergartenkunstwerken irgendwann imposante Installationen in einigen der legendärsten Räumlichkeiten Wiens wurden. Und sie verrät natürlich auch, welche Rolle ihre Notizbücher von paper republic dabei spielen.

Du lebst und arbeitest in Wien, aber wo kommst du ursprünglich her?
Ich komme aus dem bulgarischen Küstenort Warna, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Bis zu meinem 19. Geburtstag habe ich da gelebt. Dann bin ich zum Studieren nach Wien gezogen.
Warst du schon als Kind an Kunst interessiert?
Ja. Mein Interesse an Kunst wurde mit etwa fünf Jahren geweckt. Es fing im Kindergarten an, wo wir Zeichenunterricht hatten. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört. Ich ging zur Kunsthochschule in Bulgarien und studierte Druckgrafik, Malerei, akademisches Zeichnen und Bildhauerei.
Wie bist du schließlich in Wien gelandet?
Meine Eltern haben meinen künstlerischen Weg immer unterstützt. Das möchte ich betonen, denn nicht alle Eltern sind unbedingt glücklich darüber, wenn ihr Kind Karriere in der Kunst machen möchte.
Als ich nach Möglichkeiten suchte, einen künstlerischen Abschluss zu machen, entdeckte ich die Universität für angewandte Kunst Wien. Das Programm Fotografie / Zeichnung und Druckgrafik war genau mein Traum und außerdem für mich als EU-Bürgerin kostenfrei.
Ich musste ein physisches Kunstportfolio zusammenstellen und mich auf eine stark umkämpfte Eignungsprüfung vorbereiten, was sehr stressig war. Aber glücklicherweise schaffte ich es im ersten Anlauf. Ich war zu dem Zeitpunkt noch an der weiterführenden Schule, war also überglücklich, zu den acht Auserwählten für das Programm zu gehören.

Wie würdest du deinen künstlerischen Stil beschreiben?
Ich mache oft große, abstrakte Stücke, die von meinen Erinnerungen, Gedanken und dem Alltag inspiriert sind. In Bulgarien hingegen habe ich akademische Zeichnung, Anatomie und die eher klassische Herangehensweise an bildende Kunst gelernt.
Meine Studienfächer waren Zeichnung und Druckgrafik, was dazu geführt hat, dass ich jedes Projekt immer mit einer analogen Zeichnung anfange – mit Tinte oder Bleistift auf transparente Materialien wie Hüllen oder transparentes Papier. Ganz ohne Computer oder digitale Tools. Ich belichte meine Arbeit dann auf dem Siebdruckrahmen, kann die Motive also auf viele unterschiedliche Oberflächen drucken.
Viele meiner Kunstwerke sind ortsabhängige Installationen, die aus einer Kombination von analogen Zeichnungen, Druckgrafik, Malerei und Skulpturen bestehen. Die betrachtende Person kann um das Werk herumgehen und es aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten.

Wie kommen deine Notizbücher von paper republic bei der künstlerischen Arbeit ins Spiel?
Ich habe ein Lederportfolio, das ich selbst bei paper republic erstellt habe. Darin halte ich meine Ideen fest. Wenn mir irgendetwas in den Kopf kommt, skizziere ich es schnell in meinem Notizbuch. Ich finde es auch sehr hilfreich, um meine täglichen Aufgaben zu strukturieren, Pläne für anstehende Kunstausstellungen im Auge zu behalten und meine To-do-Liste durchzugehen.
Im Notizbuch habe ich zwei Papier-Refills, ein gepunktetes und eins in blanko. Das gepunktete Papier mag ich sehr – ich hatte das vorher noch nie ausprobiert, aber jetzt finde ich es super, besonders für Bullet Journals. Das Notizbuch hilft mir, meine Gedanken und Ideen zu ordnen. Vorher habe ich mir auf dem Handy oder iPad Notizen gemacht, aber das ist überhaupt nicht vergleichbar. Besonders für eine Person, die Bildschirmarbeit nicht ausstehen kann.

Eine deiner beeindruckendsten Installationen war in der berühmten Michaelerkirche in Wien zum Thema Menschenhandel. Wie ist es dazu gekommen?
Das war eine Zusammenarbeit zwischen der Kirche und unserem Universitätssemester. Alle Studierenden hatten die Möglichkeit, eine Idee zum Thema Menschenhandel einzureichen. Ich entwickelte dafür ein Konzept mit nackten weiblichen Körpern und abstrakten Formen. Mein Vorschlag wurde ausgewählt und in Auftrag gegeben.
Das Werk war riesig: Es maß 11 mal 5 Meter, also insgesamt 55 Quadratmeter Gemälde! Und alles musste sehr schnell gehen, ich hatte nur zwei Wochen Zeit, um die Arbeit fertigzustellen. Es war eine sehr interessante, aber auch frostige Erfahrung. Denn ich arbeitete im Januar daran und mein Arbeitsort hatte Null Grad. Ich musste also immer mit drei Schichten Kleidung arbeiten!

Was ist nach Ende der Ausstellung mit dem Werk passiert?
Es wird jetzt in der Kirche eingelagert. Natürlich ist es ein bisschen traurig, dass es zusammengefaltet und außer Sichtweite irgendwo liegt. Ich fände es toll, wenn es noch mal ausgestellt werden kann, vielleicht sogar an einem anderen Ort, in einem anderen Kontext.
Viele deiner Werke sind Installationen, die nur gewisse Zeit ausgestellt werden. Stört dich die kurze Lebensdauer?
Nein, weil meine Art Kunst genau so funktioniert. Manchmal werden ältere Stücke auf andere Weise erneut ausgestellt – in anderen Kombinationen entsteht dann etwas ganz Neues daraus. Aber jede Ausstellung hat ein Ablaufdatum und das ist ganz normal bei dieser Art Kunst. Einige Kunstschaffende in dem Genre haben über 30 Jahre mit der Entwicklung eines Konzepts verbracht, das nur wenige Tage ausgestellt wurde.

Wie kommst du von der Idee zur Installation?
Durch eine Kombination aus Chaos und Ordnung. Ein Mix aus akademischem Wissen über Komposition, Farben und Kombinationen plus meinen abstrakten Formen und frei fließenden Ideen. Es ist eine widersprüchliche Kombi aus Kontrolle und Intuition. Ich fertige keine Prototypen an. Keine Testdrucke. Ich setze mich vor die leere „Leinwand“ und fange einfach an zu zeichnen.
Wenn ich Grafikkunst mache, drucke ich das Bild (das Motiv) direkt auf die gewählte Oberfläche, ohne zu wissen, ob es klappen wird oder nicht. Es kann während des Prozesses mal vorkommen, dass mir das Stück gerade nicht gefällt, aber ich mache trotzdem weiter. Am Ende greifen die verschiedenen Ebenen aus Druck, Form und Farbe gut ineinander, sodass ich in den Prozess der Druckgrafik einsteigen kann. Und dabei gibt es immer Überraschungen und Fehler, was für mich die Schönheit dieses künstlerischen Prozesses ist. Ich liebe den Prozess, weil er genau wie das echte Leben ist – voller Aha-Momente und Missgeschicke.

Auf welches deiner Werke bist du ganz besonders stolz?
Schwere Frage. Ich liebe sie alle. Wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es wohl das Kunstwerk in der Kirche und meine letzte Solo-Ausstellung „Bedtime Stories“. Beide Projekte waren ganz anders als meine anderen Arbeiten und Solo-Ausstellungen. Im Fall des Kirchengemäldes war es einfach eine eindrucksvolle Erfahrung, ein so großes Kunstwerk entstehen zu sehen.
Ich malte es auf dem Boden und hatte es also nie im hängenden Zustand gesehen, bis es vernünftig installiert war. Es war ein surreales Gefühl, mein Werk in dieser berühmten Institution mitten in Wien zu sehen. Und die Tatsache, dass ich zu dem Zeitpunkt noch Studentin war, macht es für mich besonders bedeutsam.
Zu guter Letzt: Wo kann man deine Arbeiten anschauen und kaufen?
Genau wie mit großformatigen Kunstinstallationen arbeite ich auch auf Leinwänden und mit kleineren Formaten: Siebdruck und Malerei auf Plexiglas oder Holztafeln. Ich werde aktuell von der Galerie Rudolf Leeb in Österreich vertreten, mit der ich seit 2019 zusammenarbeite.
Ich arbeite auch mit einer anderen Plattform aus Wien – Kunst ab Hinterhof – zusammen, wo man meine Arbeit sehen kann. Dort ist alles vor Ort auf Lager und sie haben auch einen Onlineshop. Ich arbeite aktuell an unterschiedlichen Nebenprojekten und bin immer offen dafür, Kollaborationen auszuweiten und einzigartige Stücke für Sammler anzufertigen.
Mehr über Zhaninas fantastische Kunstwerke und Ausstellungen gibt es hier: ZhaninaMarinova.com
Bildnachweis: Alexandra Nikolova, Zhanina Marinova, Marko Zinc, NARRITIVA Gallery, Viadukt Screenprints, BUNA 1 / Largo Gallery, Pavel Gramatikov.